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Sprechen wir über Fehlerkultur

Sprechen wir über Fehlerkultur
Entscheiden bringt das Risiko von Fehlern mit sich. Mehr denn je werden wir heute gezwungen, uns zu entscheiden. Je länger je mehr tun wir uns jedoch schwer damit, weil Fehler «Konsequenzen» haben. Doch wie oft entsteht aus Fehlern auch Gutes?

Entscheiden bringt das Risiko von Fehlern mit sich

Mehr denn je werden wir heute gezwungen, uns zu entscheiden. Je länger je mehr tun wir uns jedoch schwer damit, weil Fehler «Konsequenzen» haben. Doch wie oft entsteht aus Fehlern auch Gutes? Im folgenden Artikel geht es um den Umgang mit Fehlentscheidungen.

Theodore Roosevelt gibt uns dazu einen simplen, aber anspruchsvollen Rat:

«Bei jeder Entscheidung ist es das Beste, das Richtige zu tun, das Zweitbeste ist, das Falsche zu tun, und das Schlechteste ist es, nichts zu tun.»

Fehlerkultur begann schon in der Antike

Dank meinem Vater, der klassische Philologie studierte, bekam ich Einblick in die Überlegung grosser Denker früherer Zeit: «Errare humanum est» resümiert Seneca und Horaz mahnt in seiner Ars Poetica «In Fehler führt uns die Flucht vor Fehlern.» Von ihm ist auch der Ausspruch überliefert «Wenn wir frei von Fehlern wären, würde es uns nicht soviel Vergnügen bereiten, sie an anderen festzustellen!» Wie wahr!

Cicero erkennt, «Jeder Mensch kann irren, aber nur Dummköpfe verharren im Irrtum» und Tacitus hält fest: «Erfolge nehmen alle in Anspruch, Misserfolge werden einem Einzigen zugeschrieben.»

Doch was ist überhaupt «ein Fehler»?

Während wir Schiedsrichter mit den Fehlerbegriffen Regelverstoss und Foul hantieren, unterscheiden Techniker zum Beispiel zwischen menschlichem Versagen, Bedienungsfehlern oder Material- und Messfehlern. In der Betriebswirtschaft hingegen benutzt man Begriffe wie strategische Fehler, Schnittstellenfehler und Prozessfehler ebenso wie Produktfehler, Mangel oder Normabweichung. Man beschäftigt sich überdies mit Kommunikationsfehlern und Umsetzungsfehlern, aber auch mit Fehlentwicklungen oder wie bei den Schiedsrichtern mit Fehlentscheiden. In theologischen Kontexten hingegen spricht man in Zusammenhang mit Fehlern sogar von Sünde. Es gäbe noch weitere Beispiele. In vielen Disziplinen gibt es eine Vielzahl von Fehlern.

Der Fehler als Abweichung von der Norm

Die Vielfalt an Fehlerarten und Fehlerkategorien erschwert ein einheitliches und systematisches Fehlerverständnis. Folglich orientiert sich auch die Deutsche Industrienorm (DIN) am Begriff der Norm bzw. Normabweichung als zentralem Kriterium. Das Berliner Institut für Normung definiert folglich den Fehler als einen «Merkmalswert, der die vorgegebenen Forderungen nicht erfüllt» bzw. als «Nichterfüllung einer Forderung».

Aber wer legt fest, was als Norm und welche Abweichung als Fehler gilt? Wie erfolgt die Unterscheidung in richtig oder falsch? Welche Einwirkungen auf das Urteil haben äussere Faktoren? Ändert sich diese Ansicht im Verlaufe der Zeit?

Wird als Beispiel der gleiche Fehler in verschiedenen Spielen gleich beurteilt? Soll in einem emotionalen und hektischen Spiel beim Stand von 3:5 gleich viel Wert auf ein korrektes Anspiel gelegt werden wie in einem Spiel zweier technisch versierter, dafür weniger emotional aufspielender Teams in den ersten fünf Minuten eines Spiels?

Irren ist menschlich, lautet die Devise – Fehlermachen hingegen unverzeihlich

Auch der Pionier der Fehlerforschung, der Pädagoge Hermann Weimar, vertritt diese Ansicht: «Das Irrtümliche ist verantwortungsfrei; für das Fehlerhafte hat der Schüler einzustehen.» Während der Irrtum als verzeihlich angesehen wird, ist für den Fehler Verantwortung zu übernehmen. Doch wo liegt die Grenze? Und wie lassen sich Fehler und Irrtümer vermeiden?

Der Zufall spielt oft eine wesentliche Rolle

Die Forscherin Amy Edmondson entdeckte 1999 eher zufällig eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf die Frage, wie eine echte Fehlerkultur entstehen kann. Ausgerechnet Krankenhäuser im Nordosten der USA, die eine besonders grosse Anzahl an Fehlern berichteten, wurden von Patienten und Krankenkassen am besten bewertet. Solche Spitäler, die scheinbar fehlerlos agierten, rangierten am Ende der Beurteilungsskala. Ein Umstand, der zunächst paradox erscheint. Bei näherem Hinsehen allerdings konnte Edmondson das Rätsel lösen: Bei den scheinbar von Fehlern überhäuften Krankenhäusern wurden Fehler ohne Angst vor negativen Konsequenzen für den Berichtenden offengelegt. Damit wurde überhaupt erst die Grundlage geschaffen, Fehlerquellen nachhaltig abzustellen.

Fehler vermeiden – so gehen wir vor

1. Für jede Aufgabe die richtige Person finden

Zeit aufzuwenden für etwas, das man nicht mag, bedeutet Stress. Zeit aufzuwenden für etwas, das man gerne macht, bedeutet Leidenschaft. Deshalb ist es zentral, dass man die richtigen Leute an die richtige Position setzt. Bei uns zum Beispiel ist nur eine Person für die Interpretation von Regelfragen zuständig. Fragen werden von dieser Person mit viel Leidenschaft abgeklärt und die Antwort an alle Beteiligten abgegeben. So kann sichergestellt werden, dass jeder vom gleichen ausgeht.

2. Zeitdruck vermeiden – Vorbereitet sein

Sorgfältige Arbeit braucht Zeit. Umgekehrt gilt: Unter Zeitdruck entstehen Fehler. Nun, als Schiedsrichter kann man sich für seine Entscheide nicht allzu viel Zeit nehmen. Deshalb muss man sich auf die möglichen Szenarien gut vorbereiten, um im Fall deren Eintreffens gewappnet zu sein, und ohne Druck entscheiden zu können.

3. Für eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre sorgen

Je höher der Grad der Ablenkung, desto grösser die Gefahr, dass Fehler gemacht werden. Zugegebenermassen ist das in einem Hockeystadion nur schwierig umzusetzen. Dieser Punkt ist deshalb in der Vorbereitung umso wichtiger zu berücksichtigen.

4. Prozesse automatisieren

Manchmal gibt es auf komplizierte Fragen keine einfachen Antworten. Dann helfen Prozesse und im Voraus festgelegte Abläufe, um den richtigen Entscheid besser fällen zu können. Für diverse Fragestellungen auf dem Eis haben wir Prozessabläufe definiert und in einem Handbuch zusammengefasst.

5. Vier- oder Sechs-Augen-Prinzip etablieren

Oft ist man blind für die eigenen Fehler oder man möchte sie nicht wahrhaben. Deshalb ist es von grosser Wichtigkeit, dass man ein Spiel nicht nur selber analysiert, sondern am besten mit Kollegen oder Vorgesetzen bespricht.

6. Fehler analysieren

Passiert doch einmal ein Fehler, ist wichtig zu verstehen, wie er zustande kam. Hierfür versuchen wir Schiedsrichter, die Situation von hinten her aufzurollen.

Fazit

Eine produktive Fehlerkultur bietet Ihnen den Schlüssel zum Erfolg: Indem Sie den Umgang mit Fehlern konstruktiv gestalten und in Ihrem Verantwortungsbereich eine produktive Fehlerkultur etablieren, optimieren Sie die Performance Ihrer Organisation bzw. Organisationseinheit!